Wir haben zusammen gespielt

Amin und seine Geschwister gehörten 1956/57 genauso zu meinen Spielkameraden wie Eckhard, Gunther, Elfi oder der dicke Peter. Wir wohnten in der Schweriner Knaudtstraße, Amin und seine vielen Geschwister in einem kleinen Haus in der Werderstraße, nicht weit von der Schliemannstaße entfernt. Unser Revier war die Berg- (also unsere Spiel-) straße, das Ufer am Ziegelsee und der Park neben der Brauerei Schall&Schwenke, wo es manchmal wie nach Senf roch. In dem Park bauten wir Höhlen und spielten Räuber und Gendarm. Amin war Anführer seiner Bande. Wir kämpften mit Stöcken aus Haselruten und überfielen uns aus dem Hinterhalt. Kamen die Russenkinder nachmittags aus der Schule und stiegen an der Werderkaserne aus der Straßenbahn, hielten wir inne und liefen ihnen hinterher. Wir erschreckten sie mit lautem Johlen auf ihrem Weg in ihre Kaserne in der Güstrower Straße. Es war ein Kinderspiel, das Fremdartige herauszufordern, das sich uns entzog. Interessant nur weil es ein Tabu war, ein verschlossenes Gebiet, in der auch Kinder lebten. Als sie wenig später mit Bussen in die Stadt gefahren wurden, bekamen wir sie gar nicht mehr zu Gesicht.

Der Park neben der Brauerei war wunderschön, ein ehemaliger Friedhof, an den noch 2,3 alte Grabsteine erinnerten. In den Büschen konnte man sich herrlich verstecken. Von der Werderkaserne bis zur Brauerei war die kastanien-bestandene Wiese abschüssig, so dass wir im Winter gut Schlittenfahren konnten. Auch dabei ging es mit Amin und den Seinen um die Wette.

Ich weiß nicht wie es plötzlich aufkam....

Amin ist doch ein Zigeuner.

Amins Vater spielte bei Lettow am Werdereck Karten. Einmal bekam ich mit, dass ihn die Kumpane mit einem Fausthieb aus der Kneipe warfen. Amin pfiff nach seinen Geschwistern. Sie gingen mit dem schwankenden Vater die Werderstraße hinunter.

 1959 wurde ich eingeschult. Da wäre Amin schon das 2. Jahr an der Hospitalschule.

Aber dazu kam es nicht. "Wir gehen in den Westen", verkündete er im Frühjahr traurig. Mit den ersten längeren Sonnentagen im Mai war er fort, seine Familie und bis 1960 sämtliche Roma aus meiner Stadt. Sie passten nicht in die "sozialistische Menschengemeinschaft", wie später mal eine Parole heißen sollte. Sie wären asozial, arbeitsscheu, nicht anpassungsfähig - besser sie gingen fort. Wohin? Egal, nach Rumänien, nach Ungarn, in den Westen. Bis zum 13. August 1961 hatte sich in der DDR das "Zigeuner-Problem" stillschweigend gelöst.

RW                                                                              weitere Informationen ->

Amin = vertrauenswürdig, treu, -Hindi = treu