Irene Runge

Politisch Verfolgte genossen Aufenthalt, Ausbildung oder Rehabilitation auf Zeit

In der DDR gab es immer schon solidarische Hilfe für bestimmte politisch Verfolgte, und es gab Vertragsarbeiter auf Zeit. Ersteres entsprach den persönlichsten Erfahrungen und Überzeugungen auch in der obersten politischen Führung, letzteres folgte ökonomischen Überlegungen. Nach 1945 agierten im politischen und Staatsapparat von SBZ und späterer DDR zahlreiche aktive Antifaschisten, die von 1933 bis 1945 meist als Widerstandskämpfer im In- und Ausland, verhaftet, illegal oder politische und rassische Flüchtlinge gewesen waren. Nach dem Kriegsende standen sie zum Aufbau eines sozialistischen Deutschlands bereit. Noch später war manche Hoffnung der Routine politischer Anpassung gewichen. Aus der frühen Erfahrung definierten sie das Thema Einwanderung nur politisch. Die als Verfolgte in der Zeit der DDR Einreisenden kamen zumeist aus instabilen kriegerischen Ländern der 3. Welt, waren zu unterschiedlichen Zeiten Kämpfende in nationalen Befreiungsbewegungen, organisierte Gegner der faschistischen Diktaturen in Spanien, Portugal, Chile, Südafrika, Griechenland, hilfebedürftige Mitglieder aus kommunistischen- und Arbeiterparteien kapitalistischer Staaten, auch Funktionäre linker Gewerkschaften und – wie wir inzwischen wissen, auch jene, die heute verkürzt als Terroristen bezeichnet werden. Die Einzelfallprüfung führte zur Zustimmung höchster politischer Instanzen, mithin des Politbüros des ZK der SED. Von den Flüchtlingen, also politischen Emigranten, wurde erwartet, dass sie nach Ablauf ihres Exils in ihre Heimatländer zurückkehren und dort erneut politisch aktiv sein würden. Der Aufenthalt in der DDR galt als Zeit der Aus- und Fortbildung, der gesundheitlichen Rehabilitation und der politischen Schulung. Dass das Leben dieser Emigranten und ihrer Kinder auch sehr anders und nicht zwingend im Sinne der Programmatik verlaufen konnte, wurde höchstens intern diskutiert. Diese Emigranten lebten in der Regel ein anderes Leben als die Mehrheitsgesellschaft und sie gingen – sofern ihre Verfassung es erlaubte - einer Arbeit oder Ausbildung nach. Zentral war für sie die politische Lage in der Heimat, gleichzeitig sollten sie sich in die DDR einfügen. Das Konzept Integration gab noch nicht, und wenig Verständnis für die eigentlich absehbaren kulturellen-, also Migrationskonflikte. Öffentlich kommentiert und kommuniziert wurden solche Themen nicht.

Mit den Umbrüchen des Jahres 1989 war auch das vorbei. Der Mauerfall konfrontierte die DDR-Bevölkerung erstmals mit der Wirklichkeit der Flüchtlinge, Einwanderer und Vertragsarbeiter im eigenen, und mit der Realität von Gastarbeitern, Flüchtlingen und Eingewanderten im Nicht-Einwanderungsland Bundesrepublik Deutschland. Damals erwarteten nicht nur sozialistische Idealisten wie ich, dass die demokratische Neugestaltung die Öffnung der Grenzen für DDR-Bürger und eine Öffnung der DDR-Grenzen für Einwanderungswillige aus aller Welt bedeuten würde. Doch der Mehrheit der Bevölkerung ging es um das schnelle Ende der DDR, um eine rasche Vereinigung mit der Bundesrepublik, der Satz „Ausländer raus“ machte vorübergehend die Runde.

Prof. Dr. Christian Zippel

Die Solidaritätsstation in Buch

Der Doktor und seine Patienten jenseits des Äquators
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Zu seinem Artikel von damals sendete uns Prof. Dr. Christian Zippel am 21.02.2012 folgende zusätzliche Informationen:

 

  • bei dem jungen namibischen Mädchen von 10 Jahren handelte es sich um Hendrina Nambili, heute Mrs. Mboti, Ehefrau des gegenwärtigen namibischen Botschafters in Brasilien,
  • das bei uns geborene Mädchen hat fast immer in Deutschland gelebt, da sie deutsche Pflegeeltern erhielt. Sie hat ein sehr interessantes Buch geschrieben, auch über ihre Erfahrungen in der DDR-Zeit (Stefanie-Lahya Aukongo: Kalungas Kind), ähnlich wichtig wie das Buch von Lucia Engombe: Kind Nr. 95, beides geschrieben vom selben Grostwriter).
  • Alfred Nzo, auch seinerzeit Generalsekretär der Kommunistischen Partei Südafrikas, ist inzwischen in seiner Zeit als Außenminister gestorben. Ich habe ihn während des Staatsbesuches von Nelson Mandela 1995 in Deutschland  wieder getroffen, was mir eine Umarmung von Mandela einbrachte (ein glücklicher Moment),

von den namibischen Patienten ist niemand in Deutschland geblieben (anders als rund 15 SWAPO-Kinder aus Bellin und Staßfurt, beide Stätten habe ich natürlich besucht), teilweise haben Sie in Namibia Karriere als Geschäftsleute, als Angestellte internationaler Organisationen (UNO/ rural development program, Friedrich-Ebert-Stiftung), als Verwaltungsangestellte, als Schuldirektor, einer auch in der Politik gemacht.  Die Berufe, die sie in der DDR gelernt haben, wurden nur ausnahmsweise ausgeübt  (1x Schreibkraft im State House/Präsidentensitz, 1x Laborassistent im Krankenhaus Oshakati, der Orthopädiemechaniker ist zum Beispiel Leiter und Aufsichtsperson einer Markthalle in Rundu/Kavangoland. 

Prof. Dr. Christian Zippel, geb. 1942, bis 1968 Studium der Humanmedizin an der Charité, seit 1974 Facharzt für Innere Medizin, seit 1982 Chefarzt der Klinik (heute MEDIAN Klinik) für Geriatrie und Rehabilitation in Berlin-Buch, 1984 Habilitation, Lehraufträge an der Charité und der Fachhochschule "Alice Salomon" für Sozialarbeit und Pflegemanagement.