Das Ausländerrecht der DDR

Besonders aufschlussreich ist das Gesetzblatt Nr. 17 aus dem Jahre 1979

Das Ausländergesetz der DDR vom 28. Juni 1979
Dieses Gesetzblatt hat es in sich.
Das Strafrecht wird verschärft und ausgeweitet. Allein die Begrifflichkeiten sind die Sprache der "Diktatur des Proletariats.
Gesetzblatt der DDR TeilI, Nr.17 vom 2.J[...]
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Vergleichsweise harmlos klingt das "Gesetz zur Änderung und Ergänzung straf- und strafverfahrensrechtlicher Bestimmungen und des Gesetzes zur Bekämpfung von Ordnungswidrigkeiten (3. Strafrechtsänderungsgesetz) vom 28.Juni 1979, aber dann kommt's:

"Landesverräterische Nachrichtenübermittlung", "Landesverräterische Agententätigkeit", "Diversion", "Staatsfeindliche Hetze", "Staatsfeindlicher Zusammenschluß", "Staatsfeindlicher Menschenhandel", "Gefährdung der internationalen Beziehungen", "Vertrauensmißbrauch", "Ungesetzliche Verbindungsaufnahme", "Öffentliche Herabwürdigung", Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch asoziales Verhalten", "Beschlagnahme von Postsendungen sowie Überwachung und Aufnahme des Fernmeldeverkehrs", "Auslieferungshaft".

In diesem Gesetzblatt finden sich auch die Regelungen für den Devisenbesitz, die Einfuhrbestimmungen des Zolls, die Einreisebestimmungen für Westberliner, das Paßgesetz, die Beurkundung von Ehen, die DDR-Bürger im Ausland geschlossen haben, sowie die Anordnungen zum Aufenthalt von Ausländern in der DDR und die Paß- und Visaanordnung des Ministers des Innern / Chef der Volkspolizei.

.....im großen und ganzen also Regelungen, um Kritik an den Herrschenden zu unterdrücken und zu verhindern, für Devisenbringer aber offen zu sein.

 

Almuth Berger

Zur rechtlichen Lage von Ausländern in der DDR

Auszug aus einem Vortrag auf dem Ost-West-Kolleg der Bundeszentrale für politische Bildung 25.-28.10.1998

Sieht man sich das Ausländergesetz von 1979 an (gültig bis 1990), ist darin erst einmal nicht von Ausgrenzung, Abgrenzung oder Ungleichbehandlung die Rede, sondern von einer weitgehenden Gleichbehandlung von ln- und Ausländern:

  • es ist keine besondere Arbeitserlaubnis für Ausländer nötig,

  • illegal Eingereiste können grundsätzlich auch nachträglich eine Genehmigung zum Aufenthalt bekommen,

  • ein Recht auf Wohnraum ist vorgesehen,

  • der in der DDR-Verfassung fixierte besondere Schutz von Ehe und Familie hat genauso für Ausländer seine Gültigkeit,

  • Kranken-, Renten-, Unfallversicherungsschutz genießen Ausländer unter den selben Voraussetzungen wie Inländer.

In wenigen Paragraphen des Ausländergesetzes sowie einer "Anordnung über den Aufenthalt von Ausländern in der Deutschen Demokratischen Republik" waren minima­le verfahrenstechnische Modalitäten für die ca. 1 % Ausländer (im März 1989 waren es 66.419) geregelt, gerichtliche Überprüfungen von Entscheidungen waren ausge­schlossen, lediglich gegen die Ausweisung konnte Beschwerde eingelegt werden. Der Ermessensspielraum der Behörden war im Grunde relativ erheblich, wurde aber festgelegt und eingeengt durch jeweils aktuelle politische Intentionen.

D.h. aber, eigentlichentscheidend war nicht die gleichsam rudimenthafte öffentliche Gesetzgebung, sondern eine Fülle von in der Regel internen, also öffentlich nicht zugänglichen Abkommen und Vereinbarungen sowie die sie untersetzenden Richtlinien und Anordnungen über den Aufenthalt, die Rechte und Pflichten der verschiedenen Ausländergruppen.

 

Vor allem in den einzelnen zwischenstaatlichen Abkommen gibt es oft sehr detailliert festgelegte besondere Bestimmungen, die die für die sozialistische Rechtsordnung beanspruchten Prinzipien äußerst relativieren.

 

Eine gravierende Einschränkung hatte es allerdings auch im allgemeinen Recht gege­ ben: das noch in der Ausländerverordnung von 1957 festgehaltene Recht, "sich an jedem Ort der DDR beliebig lange aufzuhalten, soweit in der Aufenthaltsberechtigung keine Begrenzung eingetragen ist, wurde im Gesetz von 1979 dahingehend geändert, daß eine örtliche und zeitliche Beschränkung jederzeit - ohne Begründung - gegeben oder versagt werden kann.

 

Die Zuständigkeiten für Abkommen über den Einsatz von Arbeitskräften oder die Gewährung von Asyl lag zwar beim Ministerrat der DDR, waren dann aber vor allem auch in der Durchführung delegiert auf verschiedene Ministerien oder andere Ein­ richtungen, z.B.: das Staatssekretariat für Arbeit und Löhne für Arbeitnehmer innerhalb der Regie­rungsabkommen, das Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen für ausländische Studierende, das Solidaritätskomitee und die Liga für Völkerfreundschaft für Vereinbarungen mit Befreiungsbewegungen, das Zentralkomitee der SED für alle Sondervereinbarungen.

 

Bei zahlreichen Abkommen und Vereinbarungen waren weitere Ministerien (Außenwirt­ schaft, Außenhandel, Fachministerien wie das für Schwermaschinenbau oder Leicht­ industrie usw.) beteiligt. Die staatliche Plankommission, Abteilung Arbeitsökonomie, Finanzen und Preise stellte die Berechnungen zur volkswirtschaftlichen Effektivität beim Einsatz ausländischer Werktätiger als Grundlage für die Verhandlungen an; der Name von Günter Mittag taucht ebenso auf wie der von Schalck-Golodkowski.

Für die Bevölkerung waren alle diese Hintergründe nicht offenkundig, Abkommen und Verträge waren "geheime Verschlußsachen". Zum ersten mal gelang es im Frühjahr 1989 einer kirchlichen Stelle, die in der Ausländerarbeit engagiert war, die Regierungs­ abkommen für den Einsatz werktätiger zu erhalten.

 

Das hieß: Sowohl Beweggründe für die Anwesenheit eines großen Teils der Ausländer als auch die Bedingungen, unter denen sie im Land lebten und arbeiteten, bleiben weithin völlig unbekannt. Das bot ein weites Feld für Vermutungen, Gerüchte, Mutmaßungen und Falsch-Infor­mationen und erschwerte in vielen Fällen eine Kontaktaufnahme.

 

Die weitaus größte Gruppe von Ausländern in der DDR kann hier nur erwähnt werden: die Angehörigen der sowjetischen Streitkräfte mit 363 000 bis 380 000 Soldaten und bis zu 200 000 Familienangehörigen von Offizieren.

 

Ihre Situation, die durch offizielle Begegnungen und Freundschaftsbeteuerungen einerseits und durch das Verbot persönlicher Kontakte für die Soldaten andererseits geprägt war, und die die Bezeichnung "prekär" sicher besonders verdient, bedürfte einer besonderen Untersuchung. Nur sehr wenig ist davon bisher bekannt, an die Öffentlichkeit kamen einige Schicksale von Beziehungen zwischen sowjetischen Soldaten und deutschen Frauen, die brutal getrennt wurden.

Daß "die Russen" zu den unbeliebtesten Ausländern in der DDR gehörten, daß freundschaftliche und positive Beziehungen zu den Vertretern dieser Besatzungsmacht in der DDR im Unterschied zu den West-Alliierten in der Bundesrepublik nicht oder kaum zustande kamen, hing sicher auch mit dieser Abschottungspolitik zusammen, die im eklatanten Gegensatz zur proklamierten und geforderten Freundschaft zur Sowjet­union stand.

 

Almuth Berger hielt diesen Vortrag auf dem Seminar vom 25. - 28.10.1998, Ost-West-Kolleg der Bundeszentrale für politische Bildung in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam (ZZF). Der Vortrag wurde zum Thema gehalten: "Prekäre Lebenslagen. Disziplinierung und Normalisierungsdruck in der Arbeitsgesell­schaft DDR"

 

Gabriele Lubanda: Politische Beschlüsse zu Ausländerinnen und Ausländern in der DDR – eine exemplarische Übersicht © 2012
Gabriele Lubanda Politische Beschlüsse z[...]
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