1989/90 im Umbruch entsteht die Basis für eine veränderte Ausländerpolitik

Klaus Pritzkuleit

Es ist Klaus Pritzkuleits Idee und Vermächtnis, eine Form gemeinsamen Erinnerns zu finden, die spannende kurze Umbruchzeit 1989/90 festzuhalten und die vielen Schicksale von betroffenen und engagierten Menschen nicht zu vergessen.

 



Geholt wurden bis zu 94.000 Ausländerinnen und Ausländer als Arbeitskräfte zur Planerfüllung; stationiert wurden 386.000 Sowjetsoldaten zur Sicherung der Westgrenze und des politischen Systems.

 

Gekommen waren zeitweise politische Emigranten, Studenten, Wissenschaftler, Künstler, Familienangehörige mit ausländischen Wurzeln, namibische Waisen. Zusammen bildeten diese Menschen lediglich ein Prozent der Bevölkerung zwischen Oder und Neiße – Elbe und Werra und waren dort genauso fremd wie die Millionen Flüchtlinge aus dem Osten nach 1945.

 

Gewollt haben die Herrschenden und das Volk die Fremden nicht wirklich - und wenn, dann nicht auf Dauer. Den Zweck erfüllen und dann gehen. Es gab und gibt  immer Menschen, die sich nicht konform verhalten, wie unsere Beispiele zeigen.

 

Mit der Wende 1989/90 veränderte sich alles. Die stationierten unbekannten sowjetischen Soldaten machten sich auf den Weg in die Heimat. Die Arbeitskräfte wurden nicht mehr gebraucht. Für Studenten gab es kaum Geld. Die Ostdeutschen konnten nun reisen und selber zu "Ausländern" in Kanada, Australien, Südafrika werden. Die Chancen waren so groß, die Begehrlichkeiten dieseits und jenseits auch.

 

Zur deutschen Einheit am 3. Oktober wurden die bescheidenen Versuche der neuen und letzten DDR-Regierung von gezielter Einwanderung und menschenwürdigem Asyl zunächst gestoppt. Was die am Runden Tisch ins Leben gerufenen Ausländerbeauftragten, die couragierten Bürger, kritischen Publizisten, Gewerkschafter und Verbände 1990 unternommen haben, um erneute Abschottung zu verhindern, versucht dieses Projekt zu dokumentieren.

Was ist aus den Ausländerinnen und Ausländern geworden, die wieder zurückflogen? Haben unsere Forderungen von damals die Welt von heute beeinflusst? Sind die Roma auf dem Bahnhof Berlin-Lichtenberg im Mai 1990 und die Flüchtlinge vor Lampedusa Teil einer Geschichte der Festung Europa?

Wir möchten über die Reflexion einer Umbruchzeit den Spuren ins heute folgen.

Klaus Pritzkuleit schrieb für die Zeitschrift "Nah&Fern" am 6. November 1989 folgenden Artikel ->